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Interview


Recycling­anlage für EPS eröffnet

Am 16.06.2021 wurde die PolyStyreneLoop­-Anlage in Terneuzen eröffnet. Dort sollen pro Jahr künftig mehrere Tausend Tonnen EPS aus dem Abbruch recycelt werden. Die Anlage gilt als Pilot­projekt, im Rahmen dessen die Sammlung von Alt-EPS, die Logistik und die Rück­gewinnung des Poly­styrols für neue Produkte im industriellen Maßstab getestet werden sollen. Kreislauf­managerin Alix Reichenecker begleitet das Projekt bereits seit seinen Anfängen im Jahr 2017. Für sie ist die Eröffnung ein großer Durch­bruch, der gleich­zeitig Hoff­nung auf mehr macht.

In einem Kurz­interview erläutert FSDE-Umweltexpertin Professorin Sabine Flamme vom IWARU Institut für Infra­struktur, Wasser, Ressourcen, Umwelt der FH Münster ergänzend die Aufbereitung von EPS aus dem Abbruch.



PolyStyreneLoop

Während EPS mit dem heutigen Flamm­schutzmittel Polymer-FR bereits zu 100 Prozent recycling­fähig ist, traf das auf älteres EPS bisher nicht zu. Da in diesem häufig noch das alte Flamm­schutzmittel HBCD enthalten ist, darf das Material nicht für neue Produkte wiederverwendet werden. Doch durch ein inno­vatives Löse­mittel­verfahren ist es inzwischen möglich, das HBCD vom Polystyrol zu trennen und aus dem Stoff­kreislauf auszuschleusen.  Das Polymer (oder Polystyrol) wird dem Produkt­kreislauf wieder zugeführt und kann zu neuen Dämm­stoffen verarbeitet werden. Zahlreiche Unternehmen entlang der Wert­schöpfungs­kette haben sich deshalb 2017 zur PolyStyreneLoop­-Initiative zusammen­geschlossen, um dieses Verfahren im industriellen Maßstab zu testen und damit einen weiteren wichtigen Baustein zum geschlossenen Produkt­kreislauf zu liefern. Mehr Infor­mationen unter: polystyreneloop.eu



PolyStyreneLoop Im Sommer 2020 hatte PolyStyreneLoop den Blue Tulip Award für herausragende Innovationen erhalten (im Bild: Alix Reichenecker).

Der große Tag der Eröffnung ist nun endlich gekommen. Was macht das Projekt PSLoop so einzig­artig?

Da fallen mir gleich drei Gründe ein. Zum einen ist es sicherlich die Art, wie wir zusammen­arbeiten. PSLoop ist nicht einfach ein Unternehmen, sondern wir sind eine Kooperative mit über 70 Mitgliedern, die stetig weiterwächst. Unser gesamtes Geschäfts­modell basiert darauf, dass nur Mitglieder der Kooperative unsere Dienste nutzen können. Das bedeutet, nur Mitglieder können uns Alt-Material liefern und auch nur Mitglieder erhalten recyceltes Polystyrol für ihre Produktion. Das sichert den Absatz und setzt gleichzeitig einen Anreiz, der Kooperative beizutreten. Unser Ziel ist es, bei dem wichtigen Thema Recycling nicht als gewinn­orientierte Einzel­gänger nebeneinander her zu arbeiten, sondern gemeinsam einen Weg zu mehr Nach­haltigkeit zu finden.

Zum anderen liegt das aber bestimmt auch an der großen Bedeutung, die unsere Arbeit für das Recycling von Polymeren hat. Derzeit konzentrieren wir uns auf EPS. Doch darüber hinaus könnte sich unser Modell auch auf andere Polymere übertragen lassen, die derzeit noch nicht recycelbar sind.

Und schließlich ist es der gesamte Prozess des Recyclings, der PSLoop einzigartig macht.

 


Können Sie genauer auf den Prozess eingehen?

Der erste Teil der Prozess­kette sind unsere Sammelstellen, sogenannte HUBs. Das sind Mit­glieder aus der Abbruch- oder Recycling­branche. Diese sammeln das EPS von den Baustellen, sortieren die größten Verunreinigungen aus und kompaktieren das Material. Auf diese Weise für die Logistik optimiert, landet es dann bei uns. Wir schreddern das EPS und lagern es anschließend in Silos. Erst dann ist es bereit für das eigentliche "waschen". Wir vergleichen unsere Anlage gerne mit einer Wasch­maschine, die mittels Waschmittel (dem Lösemittel) den Schmutz (die Reste vom Bau und das HBCD) herauswäscht, damit man am Ende das Polystyrol wieder "tragen", also für neue Dämm­platten nutzen kann. Das daraus gewonnene Granulat nennen wir Loop-PS.


PolyStyreneLoop Loop-PS-Rezyklat

PolyStyreneLoop Für den Transport kompaktiertes EPS

Wie viele Sammel­stellen gibt es denn bereits und wo sind sie?

Bis jetzt haben wir drei Mitglieder in den Niederlanden und drei in Deutschland. Das hat vor allem historische Gründe: In diesen beiden Ländern wurde verhältnis­mäßig viel mit EPS gebaut, weswegen hier auch das meiste Material beim Abbruch anfällt. Der nächste Schritt ist eine Sammel­stelle in Belgien. Andere Länder sollen folgen. Natürlich hoffen wir, dass mehr und mehr Abbruch­unternehmen unserer Kooperative beitreten und zu Sammel­stellen werden, da wir nur mit einem sehr dichten Netz aus HUBs fläche­ndeckend effizient agieren können.

Einer unserer Partner in Deutsch­land hat auch bereits einiges Abbruch­material gesammelt. Sobald die Anlage eröffnet ist, müssen wir das EPS bei den Behörden notifizieren – teilweise haben wir auch bereits damit angefangen –, um den Transport in die Niederlande zu ermöglichen. So können wir recht schnell mit dem Recycling der ersten Chargen beginnen.


Von der Eröffnung bis zum ersten Loop-PS:
Wie werden die nächsten Wochen ablaufen?

Für die Eröffnung haben wir ein großes Programm geplant: Mittags wird es eine Podiumsdiskussion zum Thema Recycling von EPS geben. Mit dabei sind unter anderem der Bürgermeister von Terneuzen, der Stadt, in der die Anlage steht, Jo-Annes de Bat von der Provinz Zeeland und Björn Aarts von der Rabobank. Außerdem zeigen wir Videobotschaften – unter anderem von Stientje van Veldhoven, der niederländischen Staatssekretärin für Infrastruktur und Wasserwirtschaft. Am Nachmittag wird das Werk in Terneuzen dann feierlich eröffnet.

In den Wochen danach werden wir die Anlage Schritt für Schritt in Betrieb nehmen; von der Reinigung bis zu Funktions- und Sicherheitstests. Ende Juni erhalten wir das Lösemittel, sodass wir in den ersten zwei Juliwochen mit dem eigentlichen Recycling beginnen können. Den ersten Output erwarten wir im August. Im Vollbetrieb sollen dann bis zu 3.300 t pro Jahr recycelt werden.


PolyStyreneLoop Die PSLoop-Anlage in Terneuzen

PolyStyreneLoop Dämmplatte aus Loop-PS

Was muss passieren, damit sich das Konzept großflächig durch­setzen kann?

Der Politik kommt hier eine wichtige Rolle zu. Beispiels­weise beim Thema Notifizierung sind wir auf die Behörden angewiesen. Gleich­zeitig sollte der Staat bei lokalen Sanierungs­projekten seine Vorbild­funktion wahrnehmen und Alt-EPS recyceln sowie beim Neubau auf Loop-PS zurückgreifen.

Dennoch hoffen wir, dass die Anlage in Terneuzen nur der Anfang ist. Wir sind bereits in Gesprächen für eine zweite Anlage mit einer jährlichen Kapazität von bis zu 12.000 t.


Glauben Sie, das Projekt PSLoop könnte selbst ein Vorbild sein?

Das ist natürlich die große Hoffnung, dass wir auf andere inspirierend wirken. Es gibt viele Produkte, die bisher noch nicht optimal recycelt werden können. Vielleicht ist es auch da an der Zeit, dass sich beteiligte Unternehmen zusammen­schließen, um gemeinsam eine Lösung zu finden.


Es gibt viele Produkte, die bisher noch nicht optimal recycelt werden können. Es ist Zeit, das zu ändern.

Alix Reichenecker, Kreislaufmanagerin bei PSLoop




Der Weg zum Recycling:
Die Rück­führung und Auf­bereitung von EPS aus dem Abbruch


Prof. Sabine Flamme
Vorstandssprecherin des Instituts für Infrastruktur, Wasser, Ressourcen und Umwelt (IWARU) an der FH Münster und Beirätin des FSDE

Frau Prof. Flamme, wie könnte das Recycling von EPS-WDVS für Abbruch­unternehmen attraktiver gestaltet werden? 

Meiner Meinung nach hängt das in erster Linie mit den Faktoren "Verwertungs­möglichkeit" und "Kosten" zusammen. Zunächst müssen Mög­lich­keiten für die Rückgabe und die Aufbereitung sowie die stoffliche Verwertung für rückgebautes WDVS geschaffen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass mineralische Komponenten den größten Massen­anteil (fast 90 %) im WDVS ausmachen, für die ebenfalls eine Lösung gefunden werden muss. Müll­verbrennungs­anlagen sind technisch nicht für EPS ausgelegt, was die Verwertung in ihnen eher teuer macht. Deswegen würde sich der Aufbau einer Kette für das Recycling wahrscheinlich auch wirtschaftlich lohnen. Einen Weg, den wir gerade verfolgen, ist die Verwertung von WDVS im Zementwerk, wobei EPS dort energetisch und die mineralische Fraktion stofflich genutzt wird.

 

Je sortenreiner das Material, umso besser kann es recycelt werden. Welche Heraus­forderungen bestehen hierfür beim Abriss von Gebäuden?

Grundsätzlich lässt sich beim Rück­bau von WDVS zwischen nicht-selektiven und selektiven Rückbau­methoden unterscheiden. Der nicht-selektive Rückbau ist dadurch gekennzeichnet, dass sämtliche Komponenten bzw. Bauteile zusammen abgebrochen werden und folglich als Abfall­gemisch anfallen. Bei einem teil­selektiven Rückbau werden einzelne Schichten gezielt zurückgebaut, wobei mehrere Abfall­fraktionen entstehen. Ein komplett sortenreiner Rückbau des EPS aus WDVS ist bei den derzeit ange­brachten Systemen nicht möglich. Selbst bei einem selektiven Rückbau, bei dem zunächst die Putz- und Gewebe­schicht und anschließend das EPS einzeln abgetragen werden, bleiben mineralische Anhaftungen am EPS zurück. Die Herausforderung liegt demnach in der Aufbereitung des Materials, bevor es dem Recycling zugeführt wird. Das IWARU hat in diesem Zusammenhang diverse Versuche zu Aufbereitungsschritten begleitet. Wir haben anhand der Ergebnisse ein Konzept für die Aufbereitung von rückgebautem WDVS entwickelt.

 

Wie muss EPS aufbereitet werden, damit das Lösemittel­verfahren in der PSLoop-Anlage problemlos angewandt werden kann?

In der PSLoop-Anlage soll hauptsächlich sorten­reines, HBCD-haltiges EPS verwertet werden. Dafür sind Spezi­fikationen definiert worden, wie der maximale Stör­stoffgehalt. Wie bereits erwähnt, weist das EPS-Material nach dem Rückbau überwiegend mineralische Anhaftungen auf. Durch die Aufbereitung müssen diese gelöst und von der EPS-Fraktion abgetrennt werden, um die Anforderung einzuhalten. Bei Unter­suchungen durch das IWARU erwies sich das Zerkleinern des WDVS durch unter­schiedliche mechanische Beanspruchung (Schlag & Prall) und eine anschließende Dichtesortierung der so entstandenen Bruchstücke als erfolgreich.



Die Eröffnung der PSLoop-Anlage im Livestream





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26.04.2023 11:20:45

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