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Interview


Reality Check:
Styropor-fressender Superwurm

Deutsche und internationale Medien haben intensiv über die Entdeckung eines Styropor-fressenden Superwurms berichtet. Gemeint ist die Larve des lateinamerikanischen Großen Schwarzkäfers, die aufgrund ihrer Größe zu den sogenannten „Superwürmern“ zählt. Ein Team der australischen University of Queensland hat herausgefunden, dass die Larven dank Mikroben in ihren Eingeweiden in der Lage sind, Polystyrol zu verdauen. Zuvor wurden die Larven in drei Gruppen unterteilt und drei Wochen lang beobachtet. Eine bekam gar nichts zu fressen, eine erhielt Kleie und eine weitere wurde auf eine Diät mit Polystyrolschaum gesetzt – mit Erfolg.

Aber haben die Superwürmer tatsächlich das Potenzial für eine realistische Recycling-Lösung für EPS? Wir haben bei Dr. Christian Rinke, Leiter des australischen Forscherteams und zukünftiger Professor an der Universität Innsbruck nachgefragt.


Herr Dr. Rinke, Ihre Forschungsergebnisse in Australien haben auch in Deutschland großes Interesse hervorgerufen – ja sogar Euphorie: Der sogenannte "Superwurm" sei die Recycling-Lösung für alle Plastikmüllberge. Was war das grundlegende Ziel Ihres Experiments?

Unser erstes Ziel war zu sehen, ob die Superwürmer Plastik verdauen können. Das hat sehr gut funktioniert, und die nächste Frage war natürlich: Wie ist das möglich? Unsere Ergebnisse haben zum ersten Mal gezeigt, dass die Darmbakterien der Schwarzkäfer-Larven mehrere Erbanlagen für Enzyme haben, mit denen sie Plastik abbauen könnten.


Unsere Ergebnisse haben zum ersten Mal gezeigt, dass die Darmbakterien der Schwarzkäfer-Larven mehrere Erbanlagen für Enzyme haben, mit denen sie Plastik abbauen könnten.

Dr. Christian Rinke, Leiter des australischen Forscherteams und zukünftiger Professor an der Universität Innsbruck



Wie nah ist Ihre Forschung an einer wirtschaftlich realisierbaren Recyclingtechnologie für EPS?

Ich sehe unsere Forschungsergebnisse als einen guten Ansatz für die Lösung der weltweiten Plastikmüllkrise. Wie weit wir diesen Ansatz verwirklichen können, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Es wäre möglich, große Anlagen zu bauen, in denen Millionen von Superwürmern mit Plastik gefüttert werden.

Aber wir verfolgen eine andere Strategie, die sich leichter in eine industrielle Anwendung umsetzen lässt. Wir arbeiten nun daran, die Bakterien, welche die Plastik abbauenden Enzyme kodieren, im Labor zu züchten. Wir wollen wissen, wie diese Enzyme funktionieren, um diese Erkenntnisse in einem Recyclingprozess umzusetzen. Für eine realisierbare und wirtschaftliche Recyclingtechnologie muss man diese Enzyme dann in großen Mengen herstellen, um sie in Bioreaktoren einzusetzen, wo sie Plastikmüll in seine Grundbausteine zerlegen. Zum Beispiel, Polystyrol könnte dann in seine Styrol-Monomere zerlegt werden. Diese Bausteine kann man dann verwenden, um wiederum neues Plastik herzustellen, das in der Qualität gleichwertig zu aus Rohöl hergestelltem Plastik ist.


Zurück zum heutigen Recycling von Styropor: Für Dämmstoffe aus EPS gibt es vielfältige Recyclingwege. Worin sehen Sie denn momentan die beste Recyclingtechnologie?

Mechanisches Recycling ist die einfachste Methode: Das heißt schreddern, einschmelzen, und in neue Produkte formen. Der Plastikmüll muss aber vorher gut sortiert werden, damit er nur Polystyrol enthält, sonst kann es zu Qualitätseinbußen des recycelten Plastiks kommen. Chemisches Recycling hingegen kann in der Regel Unreinheiten im Ausgangsmaterial besser tolerieren, benötigt aber mehr Energie als mechanisches Recycling.

Mein Favorit – wenn auch noch nicht in großer Praxis realisiert – ist biologisches Recycling.  Es ermöglicht, Styropor und andere Kunststoffe durch den Einsatz von mehreren spezifischen Enzymen gezielt zu depolymerisieren, was auch den Abbau von gemischtem Plastikmüll ermöglicht. Enzymatische Reaktionen laufen in der Regel bei Raumtemperatur ab, brauchen also keine hohe Energiezufuhr und natürlich auch keine Lösungsmittel.


Rygol EPS-Abschnitte werden für die Wiederverwendung geschreddert

Das biologische Recycling hat daher, in meiner Meinung, das größte Potenzial und ist auch eine nachhaltige und umweltfreundliche Methode. Es wird aber noch ein paar Jahre dauern und ausreichende Investitionen in Forschung und Entwicklung benötigen, um die Enzyme zu charakterisieren, sie zu optimieren und dann im großen Maßstab zu produzieren. Die Entdeckung der Superwürmer und ihrer Plastik abbauenden bakteriellen Enzyme bildet aber eine solide Basis für diese Entwicklung.


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26.04.2023 18:04:45

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