Eine für die Umwelt sensiblere Gesellschaft, Fokus auf bessere, dauerhaftere und energieeffizientere Häuser und weniger Neubauten: Die Leiterin der Forschungsgruppe nachhaltiges Bauen an der Hochschule München, Prof. Natalie Eßig, fordert mehr Konsequenz hinsichtlich der Senkung der Kohlendioxid-Emissionen im Gebäudesektor.
Die Warnungen des Weltklimarats sind eindeutig: Schnelle, weitreichende und nie dagewesene Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft seien nötig. Nur unter dieser Voraussetzung ließe sich die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad begrenzen. 91 Autoren aus 40 Staaten gingen für den aktuellen Sonderbericht des Weltklimarats von Anfang Oktober 2018 der Frage nach, was sich klimatisch verändern würde, wenn sich die Erde gegenüber der vorindustriellen Zeit bis 2050 nicht nur um 1,5 Grad Celsius erwärmen würde, sondern um 2 Grad Celsius.
Der Arktische Ozean würde im Sommer nicht nur einmal pro Jahrhundert frei von Meereis bleiben, sondern mindestens einmal pro Dekade. Korallenriffe würden nicht nur um 50 bis 70 Prozent abnehmen, sondern nahezu komplett verschwinden. Und der Meeresspiegel bis Ende des 21-ten Jahrhunderts würde nicht nur um 40 Zentimeter bis 80 Zentimeter ansteigen, sondern noch um mindestens zehn Zentimeter mehr. Steigt die Durchschnittstemperatur weltweit sogar auf über zwei Grad, sind die Folgen "schlecht zu beherrschen und teilweise irreversibel", erläutert Dr. Hans Schipper, Leiter des Süddeutschen Klimabüros am Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Karlsruhe. Dann droht die Gefahr, dass etwa Grönland eisfrei würde, was sich selbst durch sofortigen Kohlendioxidstopp nicht rückgängig machen ließe.
"Der Sonderbericht überrascht mich nicht", kommentiert Prof. Natalie Essig, Professorin an der Hochschule München und wissenschaftliche Beirätin des FDSE, die eher mit noch dramatischeren Aussagen gerechnet hätte. Gerade die Erfahrungen im Gebäudesektor bestärken die Architektin und Leiterin der Forschungsgruppe nachhaltiges Bauen an der Hochschule München in der Ansicht, dass aktuell zu wenig getan wird, um Kohlendioxid-Emissionen zu verringern. Denn die Zinsen zur Finanzierung von Bauvorhaben sind niedrig, die Auftragsbücher in der Baubranche voll. "Vorrangig geht es darum, die Aufträge überhaupt erfüllen zu können", erläutert Eßig, "die Energieeffizienz fällt dabei ein ums andere Mal hinten rüber." Seit etwa sieben Jahren, das zeigt die "Gebäudestudie: Szenarien für eine marktwirtschaftliche Klima- und Ressourcenschutzpolitik 2050 im Gebäudesektor" der Deutschen Energie-Agentur (dena) und der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea), steigt die Anzahl der Neubauten wieder an.
Hinzu kommt, dass es in so genannten Nichtwohngebäuden wie etwa Bürogebäuden und Hotels ein enormes Energie- und Kosteneinsparpotenzial gibt. "Es ist sinnvoller, keine neuen Bescheide über Neubauflächen zu vergeben, sondern zunächst den Bestand besser zu sanieren", ist Eßig überzeugt, die das deutsche Gütesiegel für nachhaltiges Bauen mitentwickelt hat, ein Bewertungssystem für nachhaltiges Bauen. Sie fordert, sensibler mit der Umwelt umzugehen und darauf zu achten, nicht schnell, sondern besser, dauerhafter und energieeffizienter zu bauen. "Die Kosten etwa für ein durchdachtes Dämmkonzept rechnen sich schon nach sechs Jahren", erläutert Eßig, die immer den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet.
Immerhin ein Drittel aller Kohlendioxidemissionen entsteht in Deutschland im Gebäudesektor. Da fällt es durchaus ins Gewicht, dass der Druck offenbar zu gering ist, um spürbare Veränderungen zu bewirken. „Der aktuelle Stand der Energieeinsparverordnung (EnEV) leistet das nicht“, ist Nachhaltigkeitsexpertin Eßig überzeugt. Und selbst der Energieausweis, der laut GEG – dem Nachfolger der EnEV – entweder den Energiebedarf oder -verbrauch eines Gebäudes ausweisen muss, ist noch keine Selbstverständlichkeit. „Es wird zu wenig geprüft und es gibt keine Strafen“, konstatiert Eßig. Für eine „schnelle, weitreichende und nie dagewesene Veränderung“ reicht das nicht aus. Doch viele dieser Einzelschritte machen dann vielleicht doch den Unterschied. Oder wie Klimaforscher Hans Schipper es ausdrückt: “Der Sonderbericht ist ein Appell an Politik und Gesellschaft, sich nicht zurückzulehnen”.
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