Praxis trifft Theorie, Macher treffen Strategen: Das erste Expertenforum des Forums für Sicheres Dämmen mit EPS (FSDE) in Frankfurt war geprägt von der Energiewende. Doch die Entscheidung energetisch zu sanieren bedeutet für Hausbesitzer auch immer ein Kompromiss mit dem "endlichen Budget", wie Berthold Kaufmann es ausdrückt, wissenschaftlicher Mitarbeiter vom Passivhaus Institut und einer von fünf Experten beim Forum.
Hans Weinreuter kennt die Hausbesitzer inzwischen recht gut, die ihn als Fachbereichsleiter Energie/Bauen der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz um Rat fragen. Da sind zum einen jene, die die Entscheidung für eine Modernisierung bereits getroffen haben, also bereits überzeugt davon sind, dass sie ihre Immobilie erneuern und energetisch optimieren wollen. "Bei ihnen sind die wirtschaftlichen Aspekte sekundär", so Weinreuter auf dem Podium des FSDE-Expertenforums Wirtschaftlichkeit in Frankfurt. Anders ist die Situation bei der zweiten Gruppe. Weinreuter nennt sie die Verunsicherten, die Skeptiker, die Fundamentalfragen stellen und vor allem wissen wollen, ob sich das energetische Sanieren überhaupt rechnet.
Weinreuter kennt wie die anderen Experten des Forums die Nachwirkungen von Berichterstattungen etwa im Spiegel ("Volksverdämmung") und Veranstaltungen im Anschluss an den Brand im Grenfell Tower in London ("Bauen, Dämmen, Brennen"). Längst ist der Mythos widerlegt, dass etwa die Dämmung – noch dazu expandiertes Polystyrol (EPS) – für Brände verantwortlich sei. Im Promillebereich bewegt sich der Anteil der Brände, an denen eine EPS-Dämmung in irgendeiner Form beteiligt ist. "Es ist nicht richtig gewesen, was da passiert ist", resümiert der Geschäftsführer der ABG FRANKFURT HOLDING Frank Junker, der längst Fakten schafft. Denn die meisten Häuser im Bestand der Frankfurter Wohnungsbaugesellschaft mit mehr als 52.000 Wohnungen sind gedämmt – mit EPS. Junker vertraut der Dämmung. Und er vertraut EPS.
"Kostengünstig und nachhaltig", nennt Junker dessen Einsatz, der infrage stellt, ob Mineralwolle als große Wettbewerberin von EPS für den großflächigen Einsatz "wirtschaftlich abbildbar" ist. Eine viel größere Herausforderung sieht er darin, Architekten von den Gestaltungsmöglichkeiten mit EPS zu überzeugen: "Viele Architekten wollen ein monolithisches Gebäude und erkennen nicht, dass Stadtreparatur und -gestaltung hervorragend mit EPS geht – und zwar ohne, dass beim Blick auf das Gebäude der Eindruck entsteht, es handelt sich um ein Energiesparhaus."
Natalie Eßig setzt hier viel Hoffnung in die Zukunft. Denn die Professorin an der Fakultät für Architektur der Hochschule München und wissenschaftliche Beirätin des FSDE sieht gerade unter dem Architekten-Nachwuchs eine große Aufgeschlossenheit dem Thema energetisches Sanieren gegenüber. "Studenten wollen wissen, welches Haus aus welchem Baujahr wie gedämmt werden sollte", erläutert die Architektin. Doch sieht sie auch noch Aufklärungsbedarf: "Oft fehlt einfach die richtige Argumentation", ist Eßig überzeugt. Und es fehlt an Informationen. "Es gibt noch immer oft ein Wahrnehmungsproblem", pflichtet Energieberater Jan Wulf bei, der auch bei seiner Klientel, den Hausbesitzern, vorwiegend im norddeutschen Raum viel Aufklärungsarbeit leisten muss. Hier ist offenbar noch einiges zu tun: Selbst Verbraucherschützer Weinreuter warnt vor "Schwarz-weiß-Malerei bei Dämmstoffen". Denn viele unterschiedliche Kriterien entscheiden letztlich darüber, welcher Dämmstoff oder welches Wärmedämmsystem zum Einsatz kommt.
Mit einer breiten und unaufgeregten Aufklärung über den Einsatz von Dämmstoffen – und etwa den Möglichkeiten mit EPS im Speziellen – ist die Entscheidung für eine Investition in energetisches Sanieren noch nicht gefallen. "Kurzfristig wünschenswerte Ausgaben wie etwa eine neue Küche oder ein neues Bad stehen mit der Wärmedämmung als langfristig sinnvolle Investition in Konkurrenz", benennt Berthold Kaufmann vom Passivhaus Institut die größte Herausforderung gerade für Besitzer von Einfamilienhäusern.
Für Kaufmann ist diese Diskussion dann nachvollziehbar, wenn sie von allen am Bau beteiligten Akteuren mit Außenmaß geführt wird. "Man muss Prioritäten setzen und entscheiden, was – wie die Wärmedämmung – länger lebt und was auch später kommen kann", sagt Physiker Kaufmann, "denn jedes Budget beim Bau ist endlich." Energieberater Wulf drückt es noch drastischer aus: "Wenn Sie jetzt dämmen, haben Sie in einigen Jahren das Geld für die goldenen Wasserhähne", so Wulf, der die Einsparungen durch geringeren Energieverbrauch gegenrechnet: "Wenn Sie es nicht machen, überspitzt gesagt, noch nicht einmal das Geld für eine neue Heizung."
Allerdings gibt es noch andere Ursachen dafür, dass sich die Erfolge von Modernisierungsmaßnahmen nicht oder zu wenig im geringeren Energieverbrauch niederschlagen. "Oft sind Schornsteinfeger oder Handwerker die ersten Ansprechpartner", beklagt etwa Frank Junker von der ABG FRANKFURT HOLDING. Wenn allerdings die Fenster zuerst ausgetauscht werden und zuletzt die Fassade gemacht wird, entstehen nicht nur unnötige Zusatzkosten, die vermeintlichen Investitionen in eine höhere Energieeffizienz verpuffen möglicherweise sogar. Es mangelt an "integralen Angeboten", die alle nötigen Aspekte ganzheitlich in die Sanierungsentscheidung einbeziehen – von der Dämmung über die Fenster bis zur Heizungsanlage. Diese Übersicht bringen besonders spezialisierte Energieberater mit, die zudem wissen, wie KfW-Förderanträge gestellt werden – ein wichtiger Aspekt für alle, die noch nie mit Sanierung zu tun hatten. Eine "Beraterpflicht" fordert Junker deshalb sogar, denn zu oft führen Einzelmaßnahmen nicht zum Erfolg. Ganz abgesehen von den Tücken, die ein Förderantrag mit sich bringen kann. "Haben Sie mal als Privatier einen Förderantrag gestellt – da verzweifeln Sie", meint Junker.
Letztlich trägt die energetische Sanierung dazu bei, die Energiewende schaffen zu können und die definierten Klimaziele für 2030 und 2050 zu erreichen. Das FSDE-Expertenforum Wirtschaftlichkeit in Frankfurt zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass jeder einzelne bei sich beginnt. "Ohne, dass Verbraucher weniger Energie konsumieren, wird es nicht klappen", sagt etwa Kaufmann vom Passivhaus Institut. Allerdings weist er auch darauf hin, dass "es erst bei geringen Energieverbräuchen überhaupt Sinn macht, Häuser mit erneuerbaren Energie zu versorgen" – Sanierung legt also gewissermaßen das Fundament für Sparsamkeit. Ein anderer Aspekt ist der boomende Baumarkt: "Wir haben nicht zu wenige Wohnungen, das Problem ist, dass wir heute pro Kopf doppelt so viel Wohnfläche beanspruchen wie vor 40 Jahren", sagt die Professorin der Hochschule München Eßig: "Viele Wohnungen und Häuser stehen sogar leer und werden weder vermietet noch verkauft. Dabei sieht ein Neubau von der CO2-Bilanz her gesehen um einiges schlechter aus als ein Gebäude, das saniert wird." FSDE-Beirätin Eßig sendet also einen klaren Appell an die Hausbesitzer, umzudenken und aktiv zu werden.
Klar ist, dass Gesetze alleine wohl wenig geeignet sind, das Umdenken zu bewirken. Trotz einer seit 2016 geltenden, "angeblichen Verschärfung" der Energieeinsparverordnung (EnEV) sei es zurzeit sogar "faktisch möglich, energetisch schlechtere Häuser als vorher zu bauen", sagt Energieberater Wulf. Selbst der Energieausweis interessiere in der Praxis wenige, meint Frank Junker von der ABG FRANKFURT HOLDING. "Weg von der EnEV-Rechnerei", fordert Kaufmann vom Passivhaus Institut und regt an, die Energiebilanz etwa mithilfe des Passivhaus-Projektierungspakets (PHPP) genauer zu berechnen. Nur so könne die Energiebilanz eine wirkliche Hilfe für die Planung von energieeffizienten Gebäuden werden. "Gesetze sind nicht entscheidend: Hauptsache, Hausbesitzer wohnen gemütlich und zahlen wenig", ist auch Wulf überzeugt. Da geht es Skeptikern, die einst Grundsatzfragen gestellt haben, nicht anders als jenen, die im Vorhinein von der Wirtschaftlichkeit des Dämmens überzeugt waren.
Wir verwenden technisch notwendige Cookies, um die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit unserer Seiten zu gewährleisten und unsere Inhalte zu personalisieren. Wir verwenden ferner technisch nicht notwendige Cookies zur Analyse unseres Datenverkehrs und zur Bereitstellung von Social Media-Funktionen. Informationen über Ihre Nutzung unserer Website teilen wir mit unseren Social Media-, Werbe- und Analyse-Partnern. Unsere Partner führen diese Informationen möglicherweise mit weiteren Daten zusammen, die Sie ihnen bereitgestellt haben oder die sie im Rahmen Ihrer Nutzung der Dienste gesammelt haben. Um der Verwendung der technisch nicht notwendigen Cookies durch uns und unsere Dienstleister zuzustimmen, wählen Sie bitte „Alle Cookies zulassen und fortfahren“ oder wählen Sie Ihre Cookie-Einstellung. Sie können Ihre erteilte Einwilligung widerrufen oder Ihre Präferenzen ändern, indem Sie unsere Cookie-Hinweise aufrufen.
Weitere Details – auch hinsichtlich der jederzeitigen Änderung der Cookie-Auswahl – finden Sie in den Cookie-Hinweisen sowie in unserer Datenschutzerklärung.