Dr. Alexander Röder ist studierter Physiker. Er promovierte im Anschluss an sein Studium über die Integration von Ökobilanzdaten in gesamtwirtschaftliche Energie- und Umweltmodelle. Nach verschiedenen Tätigkeiten im Umwelt- und Baustoffbereich wurde er 2019 Geschäftsführer des Instituts Bauen und Umwelt e.V. (IBU). Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von über 200 Unternehmen und Verbänden mit dem Ziel, nachhaltiges Bauen zu stärken. Das IBU betreibt unter anderem ein branchenübergreifendes und unabhängiges Informationssystem für Bauprodukte sowie Baukomponenten und ist einer der international führenden Programmbetreiber für Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs).
Kern einer Umwelt-Produktdeklaration oder Environmental Product Declaration (EPD) ist eine Übersicht über die Umweltwirkungen einzelner Baustoffe, Bauprodukte und Baukomponenten. Darüber hinaus werden weitere funktionale und technische Eigenschaften dokumentiert, insbesondere diejenigen, die für die Bewertung der Nachhaltigkeit eines Gebäudes eine Rolle spielen. Die Grundlage für eine EPD ist die Ökobilanz des jeweiligen Produkts, für die sämtliche Material- und Stoffflüsse von der Wiege – der Rohstoffgewinnung – bis mindestens zum Werkstor erfasst werden. EPDs werden vom Produkthersteller in Auftrag gegeben.
Der erste Schritt ist die Ökobilanz des Produkts, die in der Regel in enger Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Berater erstellt wird. Sie beginnt bereits bei den Ressourcen, die für die Herstellung notwendig sind. Doch in der Regel liegen für Materialien, Energieträger und sonstige Dienstleistungen wie beispielsweise Transporte bereits verlässliche Informationen als sogenannte Sekundär- oder Hintergrunddaten in Ökobilanzdatenbanken vor, sodass in vielen Fällen keine detaillierten Daten von Zulieferern erhoben werden müssen. Das heißt, dass bei einem Produkt wie EPS lediglich wenige Informationen zu beispielsweise Ausgangsstoffen, Energieeinsatz oder direkten Emissionen vom Hersteller erfasst und mit den entsprechenden Datenbanken verknüpft werden müssen.
Dann wird auf Grundlage dieser Ökobilanz die EPD erstellt. Dieser ganze Prozess folgt den Vorgaben der Norm EN 15804 sowie der sogenannten Produktkategorieregeln (PCR): Die Produktkategorieregeln bestimmen, wie die EPDs zu erstellen sind, um Vergleichbarkeit innerhalb der Produktkategorie sowie bei der Bilanzierung von Gebäuden zu schaffen.
Beim IBU wird jede EPD extern verifiziert. Nachdem also der externe Ökobilanzierer einen Entwurf der EPD erstellt hat, kommt dieser zusammen mit einem sogenannten Hintergrundbericht zu uns für die Verifizierung. Der Hintergrundbericht dokumentiert zum Beispiel die Input-Daten und wird selbstverständlich vertraulich behandelt.
Ein vom IBU ausgewählter Verifizierer prüft in einem ersten Schritt die erhaltenen Unterlagen auf Verifizierbarkeit, insbesondere auf Vollständigkeit. Dann folgt die eigentliche Verifizierung. Hierbei wird eine Plausibilitätsprüfung der Richtigkeit der vom Hersteller zur Verfügung gestellten Daten vorgenommen sowie die Zuverlässigkeit der eingesetzten Ökobilanz-Software und die richtige Umsetzung der Bewertungsmethoden überprüft. Der Verifizierer muss im Anschluss bestätigen, dass die Datenqualität und die Rechenregeln der Ökobilanz mit den zugrundeliegenden PCR-Texten konform sind. Zusätzlich sind beispielsweise Angaben zur Evaluation der Datenqualität, der Gültigkeit, der Genauigkeit, der Vollständigkeit, der Repräsentativität, der Konsistenz, der Reproduzierbarkeit und den Quellen möglicher Unsicherheiten notwendig. Erst dann kann eine EPD vom IBU veröffentlicht werden.
Hierzu verfügen wir über einen Pool von Verifizierern, mit denen wir zusammenarbeiten. Wer in diesen Pool aufgenommen wird, entscheidet der Sachverständigenrat. Das ist ein Gremium aus Experten aus Wissenschaft und Normung, aus Bau- und Umweltbehörden sowie aus Naturschutzverbänden. Mitglieder kommen unter anderem vom Umweltbundesamt und der TU Berlin. Diejenigen, die sich als Verifizierer bewerben, müssen nachweisen, dass sie einerseits produktbezogene Umweltfaktoren im Bausektor kennen und dass sie Berufserfahrung im Bausektor oder einem verwandten Berufsfeld haben. Andererseits müssen sie Expertise in der Ökobilanzierungsmethode und die Kenntnis der betreffenden Normen, insbesondere der EN 15804, sowie Kenntnisse der Umweltkennzeichnungen und -deklarationen vorweisen.
Grundsätzlich ist eine EPD modular und standardisiert aufgebaut. Eine EPD des IBU enthält immer die in der Norm EN 15804 festgelegten Inhalte, die wir Kern-EPD nennen. Die Kern-EPD umfasst sechs Abschnitte:
Das IBU bietet aber auch eine Erweiterung mit noch umfangreicheren Informationen an, beispielsweise zur Anwendung, zum Verhalten bei Brand oder zu Emissionen von organischen Stoffen während der Nutzungsphase. Außerdem kommen bei dieser erweiterten oder IBU-EPD noch zwei Abschnitte hinzu: ein Abschnitt zur Interpretation der Ökobilanz und zusätzliche Nachweise. Ob Kern-EPD oder erweiterte EPD, entscheidet der Hersteller.
Der zentrale Inhalt der EPD sind die Ergebnisse der Ökobilanz. Diese werden in einer Matrix dargestellt. In der Horizontalen wird der Lebenszyklus des Produktes in Phasen unterteilt: Herstellung, Nutzung , Entsorgung und, wenn vorhanden, Gutschriften außerhalb der Systemgrenze. In der Vertikalen findet man die vielen verschiedenen potenziellen Umweltwirkungen wie Klimawandel, Versauerung und Überdüngung. Ähnliche Tabellen zeigen den Ressourceneinsatz und einige weitere wichtige Parameter. Hier wird zwischen erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Stoffen, Wasser sowie Energieträgern und stofflichen Rohmaterialien unterschieden.
Eine IBU-EPD stellt darüber hinaus in einem anderen Abschnitt noch zusätzliche Informationen zur Verfügung. Um welche Informationen es sich dabei handelt, ist produktgruppenspezifisch. Im Fall der EPS-Dämmstoffe werden mögliche Ausgasungen von organischen Stoffen in der Nutzungsphase (VOC) beschrieben.
Ich möchte an dieser Stelle noch unterstreichen, dass EPDs objektive Informationen enthalten. Sie stellen keine Bewertung dar.
Eine EPD enthält verifizierte Informationen nach einem einheitlichen Standard. Das ermöglicht es jedem, der ein Haus bauen will, eine konsistente Ökobilanz für das gesamte Gebäude zu erstellen und so die ökologisch beste Variante zu identifizieren. Im Vergleich zu generischen, unspezifischen Informationen besitzen EPDs deutlich weniger Datenunsicherheiten, was auch von Gebäudebewertungssystemen honoriert wird.
Ja, beispielsweise für das Bewertungssystem der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen des Bundes) und das BNB (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen). Diese Systeme fordern zwingend eine Ökobilanzierung des Gebäudes. Werden hierbei generische Daten verwendet, werden diese mit einem nicht unerheblichen Zuschlag belegt. Mit EPDs können Zuschläge und damit schlechtere Ergebnisse vermieden werden. Für die Gebäudebewertung nach LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) ist eine Ökobilanzierung zwar noch nicht verpflichtend, doch wird bei diesem System bereit ein Punkt dafür vergeben, dass für eine gewisse Anzahl der fest eingebauten Produkte EPDs vorhanden sind. Dieser eine Punkt ist nicht selten ausschlaggebend dafür, ob ein höheres Zertifizierungsniveau erreicht wird oder nicht.
Die ursprüngliche Motivation der Hersteller ist es, ihren Kunden die Information zur Verfügung zu stellen, die für eine Gebäude-Ökobilanzierung und eine Bewertung nach DGNB, BNB oder LEED notwendig sind. Darüber hinaus gibt es noch zwei andere Gründe. Zum einen ermöglichen eine EPD und die zugrundeliegende Ökobilanz dem Hersteller einen sehr differenzierten Blick auf seine gesamte Wertschöpfungskette. Dies kann er nutzen, um Anhaltspunkte für die ökologische Optimierung seines Produktes zu finden. Zum anderen demonstriert ein Hersteller mit einer EPD Transparenz, ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Unternehmensführung.
Wie ökologisch EPS ist, zeigt eine Studie des ifeu-Instituts und natureplus. Hierbei wurde der gesamte Lebenszyklus des Dämmstoffs inklusive seiner Verwertung betrachtet. Das Ergebnis: EPS ist ökologischer Spitzenreiter unter den Dämmstoffplatten. Vor allem grafitversetztes graues EPS hat eine hervorragende Ökobilanz, da die erforderliche Dämmwirkung auch mit einer geringeren Dämmstoffdicke und -dichte erreicht werden kann. So wird weniger Dämmmaterial benötigt und mit weniger endliche Ressourcen verbraucht.
Es gibt viele Eigenschaften, die EPS zu einem ökologisch sinnvollen Dämmstoff machen: Es weist kurze Transportwege, einen geringen Energieverbrauch bei der Herstellung, gute Dämmeigenschaften, eine lange Lebensdauer, leichte Verarbeitbarkeit, sehr geringe Emissionswerte und gute Verwertungsmöglichkeiten auf. Auch eine aktuelle Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) und natureplus e.V. hat bestätigt, dass EPS zu den ökologischen Spitzenreitern gehört. Für den Einzelfall können Architekten und Planer zudem anhand von Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) die Nachhaltigkeit des Bauvorhabens ermitteln.
Unser Verständnis von Nachhaltigkeit und ökologischer Qualität unterliegt einem gewissen Wandel. Innerhalb der letzten Jahre wurde die Bewertung von Baustoffen immer umfassender. Vor wenigen Jahrzehnten hat man sich lediglich auf einzelne Aspekte fokussiert, während wir uns jetzt immer mehr einem ganzheitlichen Ansatz nähern. Damals beschränkte man sich beispielsweise auf die Energieeffizienz eines Gebäudes oder auf die Emissionen ganz bestimmter gesundheitsschädlicher Stoffe. Heutzutage deckt eine Ökobilanz den gesamten Lebenszyklus eines Produktes ab – von der Wiege bis zur Bahre. Dabei werden eine Vielzahl unterschiedlicher Umwelteinwirkungen sowie der Verbrauch von Ressourcen berücksichtigt. Die dafür relevanten, produktspezifischen Daten liefert dann die jeweilige Umwelt-Produktdeklaration.
Nein, so ist es nicht. EPDs sind grundsätzlich ungeeignet, um Produkte direkt miteinander zu vergleichen. Sie stellen lediglich Informationen zur Verfügung, um Gebäude zu bilanzieren. Das heißt, einzelne Produkte werden immer nur im Kontext des gesamten Gebäudes bewertet. Ein extremes, aber plakatives Beispiel: Wenn Sie einen beliebigen Dämmstoff mit der 0-Variante, also Nichts, vergleichen und Sie fußen diesen Vergleich lediglich auf die EPDs, dann würden Sie zu dem Schluss kommen, dass die 0-Variante die nachhaltigere ist. Das liegt daran, dass bei der Herstellung und Entsorgung von Nichts natürlich die Umwelt nicht negativ beeinflusst wird. Wenn Sie das ganze dann aber in den Kontext eines Gebäudes setzen, dann wird klar, dass die 0-Variante einen sehr viel höheren Energieverbrauch bewirkt, der üblicherweise die Aufwendungen aus der Herstellung und Entsorgung des Dämmstoffes weit übersteigt. Ob ein Baustoff ökologisch ist oder nicht, hängt deswegen immer von dem Kontext ab, in dem er eingesetzt wird.
Wir verwenden technisch notwendige Cookies, um die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit unserer Seiten zu gewährleisten und unsere Inhalte zu personalisieren. Wir verwenden ferner technisch nicht notwendige Cookies zur Analyse unseres Datenverkehrs und zur Bereitstellung von Social Media-Funktionen. Informationen über Ihre Nutzung unserer Website teilen wir mit unseren Social Media-, Werbe- und Analyse-Partnern. Unsere Partner führen diese Informationen möglicherweise mit weiteren Daten zusammen, die Sie ihnen bereitgestellt haben oder die sie im Rahmen Ihrer Nutzung der Dienste gesammelt haben. Um der Verwendung der technisch nicht notwendigen Cookies durch uns und unsere Dienstleister zuzustimmen, wählen Sie bitte „Alle Cookies zulassen und fortfahren“ oder wählen Sie Ihre Cookie-Einstellung. Sie können Ihre erteilte Einwilligung widerrufen oder Ihre Präferenzen ändern, indem Sie unsere Cookie-Hinweise aufrufen.
Weitere Details – auch hinsichtlich der jederzeitigen Änderung der Cookie-Auswahl – finden Sie in den Cookie-Hinweisen sowie in unserer Datenschutzerklärung.